Über drei Monate sind vergangen, seitdem das Eingangstor des Nonnenkloster Jangchub Chöling in Mundgod/ Nordindien für Besucher:innen und Pilger:innen verschlossen wurde. Außer in dringenden Fällen …
… darf niemand das Kloster verlassen oder betreten und so waren die einzigen Personen, die diese Tür in den letzten Monaten durchschritten haben, die eingeteilten Nonnen der Lebensmittel- und Medikamentenversorgung oder kranke Ordinierte auf dem Weg zu ihren medizinischen Behandlungen. Acht Frauen, so berichten uns die Nonnen Ringzen und Karma, mussten zu Gesundheitschecks, geplanten Operationen, medizinischen Notfällen und einer Chemotherapie in entferntere Krankenhäuser reisen. Davon zurückgekehrt, verbrachten sie die obligatorische 28-tägige Quarantänezeit gemeinsam in den Klassenräumen, denn im Nonnenkloster herrscht Wohnungsnot. Seit das Wohngebäude von 60 Nonnen von mehreren Experten als akut einsturzgefährdet eingestuft wurde, fehlt es an Wohnraum für die rund 280 Nonnen. So müssen in Corona-Zeiten andere Lösungen geschaffen werden.
„Natürlich waren wir alle etwas traurig, als die Bauarbeiten am neuen Wohnkomplex gestoppt wurden. Es wäre schön gewesen, wenn die Arbeiten an den neuen Unterbringungsmöglichkeiten zügig weitergegangen wären, schließlich war schon fast die Hälfte des zweiten Stockwerkes fertiggestellt, bevor es zum Lockdown kam. Doch unser aller Gesundheit ist weitaus wichtiger und wir möchten unbedingt verhindern, dass sich das Virus durch ein- und ausgehende Bauarbeiter eventuell übertragen könnte. Zudem erschwert der nun einsetzende Monsun alle Planungen.“
Man ist und bleibt achtsam, zumal es in der nahegelegenen tibetischen Siedlung einen ersten bestätigten Covid-19 Fall gibt. Das Hygiene- und Abstandskonzept für die etwa 280 Nonnen im Alter zwischen 7 und 80 Jahren wird nach wie vor streng eingehalten: Die Speisen werden in den Zimmern eingenommen, ältere Nonnen isoliert, bei allen Bewohnerinnen wird regelmäßig Fieber gemessen, Flure und Badezimmer werden täglich penibel gereinigt und der gesamte Campus einmal wöchentlich.
In der klostereigenen Näherei ist nun eine „Maskenwerkstatt“ entstanden, in denen Stoffmasken für die Nonnen und ältere Personen der nahegelegenen Siedlung gefertigt werden.
Trotz aller Vorsicht gehen die Nonnen ruhig, heiter und konzentriert ihrem Alltag nach und arrangieren sich – so gut es eben geht – mit der neuen Situation.
Seitdem der Unterricht im Klassenverband ausgesetzt wurde, werden die Audioaufzeichungen der Lehrenden in die jeweiligen Klassenchats über WeChat übertragen. Um größere Ansammlungen zu vermeiden, können nicht alle Formate stattfinden, so entfällt z.B. die tägliche Debatte aller Nonnen oder größere Gebetsversammlungen. Stattdessen lernen die Nonnen verstärkt individuell und setzen so nebenbei die Abstands- und Hygieneregeln und die soziale Distanz zum Schutz der Gemeinschaft um. Ob die im August anstehenden Prüfungen durchgeführt werden können, sei noch nicht abschließend entschieden worden, aber wer den Einfallsreichtum und die Flexibilität der Nonnen in den letzten Jahren beobachtet hat weiß, dass ihnen mit Sicherheit eine Möglichkeit einfallen wird, diese wichtigen Prüfungsveranstaltungen abzuhalten!
Für das Wichtigste sei ja gesorgt: Die Lebensmittelversorgung ist gesichert, seitdem man im März Getreide und Hülsenfrüchte für fünf Monate einkaufte. Und über das Versorgungssystem des nahegelegenen Mönchsklosters Drepung erhalten auch die Nonnen ihre wöchentliche frische Gemüselieferung. Das ist besonders wichtig, da sich die Nonnen rein vegetarisch ernähren und es bei einigen zu Mangelerscheinungen kam, weshalb der „Ernährungsfond des Tibetischen Zentrums“ eine solch immense Bedeutung hat.
Auch die in vorherigen Berichten bereits erwähnte „Tsampaproduktion“ geht weiter, da aufgrund der Ausgangssperren und Lockdown-Einschränkungen mehr Nachfragen aus den benachbarten Klöstern und tibetischen Siedlungen herrsche und die Nonnen hier gerne helfen möchten.
Das spirituelle Leben geht trotz und mit Corona weiter und es gibt einige erfreuliche Mitteilungen zu verkünden: Seit Mai 2020 steht das Nonnenkloster unter der segensreichen Leitung des Abtes Geshe Tashi Tsering vom Ganden Shartse Kloster, der den scheidenden Abt Geshe Lobsang Tsultrim nach drei Jahren ablöst. Die bescheidene Inthronisationszeremonie steht übrigens in keinem Verhältnis zur übermäßigen Freude der Nonnen über ihren neuen Abt, sie spiegelt lediglich die besondere Zeit der Corona-Pandemie wider: Weniger ist mehr und Abstand halten ein Zeichen des Mitgefühls. Die älteren Nonnen nutzen die besondere Zeit der Isolation für sich und ziehen sich in intensive Retreats über verschiedene Gottheiten zurück. Um größere Versammlungen zu vermeiden, gehen die Nonnen seit März den Bitten nach öffentlichen Zeremonien und Gebeten nur noch in sehr reduziertem Maße nach.
Einzig die Tara Gebete von sieben bis acht Uhr zum Wohle aller fühlenden Wesen und insbesondere auch für die Unterstützer des Ordens werden in – mit Abstand und in Kleingruppen- jeden Abend regelmäßig rezitiert.
Mögen die Nonnen, sowie alle anderen Lebewesen jetzt und auch in Zukunft unbeschadet durch diese und andere Schwierigkeiten gelangen.
PS: Die Nonnen haben auf YouTube ein Video über ihre aktuelle Situation eingestellt. Viel Freude beim Anschauen!